Beliebte Irrtümer im Strassenverkehrsrecht Teil 3: Führerausweisentzug bei beruflicher Angewiesenheit

14.02.2020

Es ist der Satz, den mit Strassenverkehrsrecht befasste Juristen wohl am häufigsten zu hören bekommen: "Aber ich bin auf meinen Ausweis angewiesen!" Die Meinung, dies könnte einen Ausweisentzug abwenden, hält sich ausgesprochen hartnäckig. Wie sieht es aber in der Realität aus?

Zunächst das Grundsätzliche: Bei der Beurteilung einer Verkehrswiderhandlung durch die Administrativbehörde, welche für Ausweisentzüge zuständig ist (Strassenverkehrsamt im Kanton Bern, MFK im Kanton Solothurn, KAM im Kanton Freiburg), wird die Widerhandlung zunächst in eine von drei Kategorien eingeteilt: Leicht, mittelschwer oder schwer. Massgebend für die Einteilung ist einerseits das Verschulden und andererseits die (potenzielle) Gefahr, welche durch die Widerhandlung hervorgerufen wurde. Für jede der drei Kategorien existiert eine gesetzliche Mindestentzugsdauer, die nicht unterschritten werden darf. Nach oben ist die Skala hingegen offen. Innerhalb der jeweiligen Kategorie wirken sich insbesondere frühere Widerhandlungen und die Schwere bzw. Anzahl der Widerhandlungen erhöhend auf die Entzugsdauer aus. Positiven Einfluss haben hingegen insbesondere ein tadelloser automobilistischer Leumund und die berufliche Angewiesenheit.

Insofern ist die landläufige Meinung, der Führerausweisentzug falle kürzer aus, wenn man beruflich auf den Ausweis angewiesen ist, nicht generell falsch. Aber: Auch bei einer dringenden beruflichen Angewiesenheit (sprich: Berufschauffeure) bildet die gesetzliche Mindestdauer die absolute Untergrenze. Selbst der Extremfall, dass ein Führerausweisentzug den Verlust der Arbeitsstelle bedeuten würde, ändert daran nichts.

Beruflich auf den Führerausweis angewiesen sind übrigens nicht nur Berufschauffeure, sondern z.B. auch Handwerker auf Montage, Mitarbeiter im (Nacht-)Schichtdienst oder Personen mit einem Wohn- oder Arbeitsort ohne ÖV-Anbindung. Die berufliche Angewiesenheit muss im Verfahren belegt werden, teilweise genügt eine kurze schriftliche Bestätigung des Arbeitgebers, andere Kantone verlangen das Ausfüllen eines Fragebogens, welcher vom Arbeitgeber unterzeichnet werden muss.

Vereinzelt wird auch behauptet, man könne den Führerausweis für berufliche Fahrten behalten und nur für den privaten Strassenverkehr abgeben. Diese Information ist ebenso falsch wie die Annahme, man könnte den Ausweisentzug in Etappen vollziehen (z.B. erst einen Monat und ein halbes Jahr später nochmals zwei Monate).

Wichtig: Das Administrativverfahren ist unübersichtlich und birgt für den Laien zahlreiche Tücken. Gerade wenn Sie auf Ihren Ausweis angewiesen sind, kann Ihnen ein erfahrener Anwalt frühzeitig dabei helfen, zumindest Schadensbegrenzung zu betreiben und durch entsprechende Eingaben die Dauer und den Zeitpunkt der Abgabe zu Ihren Gunsten beeinflussen. 

 

© Saskia August, Rechtsanwältin, 02/2020